Der zweite
Senat des Bundesverfassungsgerichts hat am 25.01.2005
über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung
entschieden. Hier werden nachfolgend die Schlüsselsätze
dieses Beschlusses wiedergegeben.
- Das Begehren zur Hauptsache ist weder von vornherein
unzulässig noch offensichtlich unbegründet.
Bei der Hauptsache handelt es sich um das Recht aus
Artikel 28 Abs. 2 Satz 3 des Grundgesetzes. Dort wird
die Souveränität der Gemeinde, auch über ihr Finanzgebaren,
festgeschrieben. Das Gewerbesteuergesetz in der Fassung
vom 19.12.2003 zwingt die Gemeinden, Gewerbesteuer
zu erheben und dies zu einem Mindesthebesatz von 200%.
Mit dieser Bestimmung ist die Souveränität der Gemeinde
eingeschränkt worden, und dagegen wendet sich die
Verfassungsbeschwerde.
- Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig.
- Die Verfassungsbeschwerde ist nicht offensichtlich
unbegründet.
Diese beiden Aussagen trifft das Gericht nur, wenn
die Hauptentscheidung offen ist.
- Die Frage, ob sich die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz
des Bundes für die Gewerbesteuer aus Art. 105 Abs.
2 GG in Verbindung mit Art. 72 Abs. 2 GG auch auf
die Anordnung einer Untergrenze des Hebesatzes und
damit auf den Zwang zur Erhebung der Gewerbesteuer
erstreckt, ist nicht geklärt und bedarf näherer Prüfung
im Hauptsacheverfahren.
- Das "Hebesatzrecht" wird zu den Grundlagen
der finanziellen Eigenverantwortung gezählt, die von
der Gewährleistung der Selbstverwaltung umfasst wird.
- Wenn die "Hebesatzhoheit" zum Kernbereich
der Selbstverwaltung gehören sollte, könnte das Recht,
den Hebesatz festzusetzen, von Vorgaben des Gesetzgebers
freizuhalten sein.
Diese Aussagen zeigen sehr deutlich, daß das Bundesverfassungsgericht
der Souveränität der Gemeinden einen hohen Stellenwert
beimißt. Die Wahrscheinlichkeit, daß die Entscheidung
in der Hauptsache zu Gunsten der Gemeinde ausfällt,
ist sehr groß.
- Gewerbebetriebe könnten (wenn der Hebesatz 200%
beträgt) Ihre Standortentscheidung Überprüfen. Sie
könnten deshalb Ihr Gewerbe an attraktivere Standorte
in Deutschland oder ins Ausland verlagern.
Das Gericht hat dieses sehr wirtschaftliche Argument
aus dem Text der Beschwerde übernommen.
Offensichtlich hält das Gericht diesen Denkvorgang
für richtig.
Die Kommentierung der Kernsätze geht auf Meinungsäusserungen
der Berliner Rechtsanwälte Dirk Streifler und Dorit
Jäger zurück, in deren Kanzleien der Text der Beschwerde
verfaßt wurde.
Pressemitteilung vom 4. März 2010
Der
Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hat die
Verfassungsbeschwerden zurückgewiesen. Der gesetzlich
vorgeschriebene Mindesthebesatz von 200 % für
die Gewerbesteuer ist verfassungskonform.
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